Zugegeben: Der Begriff „Selbstbedienungsladen“ (Self-Service Procurement) ist provokant und eigentlich eher negativ besetzt. Doch neue technische Möglichkeiten im SAP S/4HANA System schaffen die Grundlage für einen gewollten operativen Beschaffungsprozess ohne direkte Einbindung des Einkäufers.
Nachdem drei häufige Fragen beantwortet werden, wird der innovative Prozess beschrieben, durch den vor allem Zeit, Geld und Nerven gespart werden können.

Die drei häufigsten Fragen zu Self-Service Procurement

Definition: Was bedeutet Self-Service Procurement?

Self-Service Procurement bedeutet das selbständige Einkaufen durch den Bedarfsträger ohne direkte Einbindung des Einkäufers in den Bestellprozess

Warum Self-service Procurement?

Mit der Selbstbedienung des Bedarfsträgers und dem Wegfall der direkten Einbindung des Einkäufers läuft der Einkaufsprozess schneller, einfacher und leichter.

Welche Erfolgsfaktoren sind für Self-Service Procurement entscheidend?

Entscheidend für den Erfolg des Prozesses sind vor allem die Datenqualität und die Nutzererfahrung (UX = User Experience). Denn wenn die Daten korrekt sind und der Nutzer an der Bedienung des Systems wie SAP S/4HANA Freude und Lust statt Frust hat, dann steigt die Akzeptanz und Nutzung des Systems.

Der Self Service Procurement Prozess

Ähnlich dem Einkaufserlebnis im B2C Bereich hat sich mit S/4HANA das Nutzerlebnis verbessert. Neben den klassischen Bestellanforderungen lassen sich auch Warenkörbe in S/4HANA erzeugen. Eine hohe Bedeutung hat vor allem die 1-Klick-Bestellung, die wesentlich schneller und nutzerfreundlicher ist als die traditionelle Vorgehensweise mit Banfen.

Auf Kataloginhalte kann entweder über einen Punch-Out-Katalog im Ariba Katalogbereich zugegriffen oder im Falle von internen Katalogen direkt in S/4 HANA hochgeladen werden. Dieses Laden und Indexieren der Kataloge in SAP S/4HANA ermöglicht eine katalogübergreifende Suche direkt in S/4HANA.

Anforderung oder Warenkorb in S/4HANA anlegen

Der Anwender kann aus der App für „Bestellanforderungen anlegen“ einen Artikel in der Suche eingeben. Wird er fündig, so lasst sich der Artikel direkt in den Warenkorb legen.

Wird er nicht fündig, so kann er einen eigenen Artikel anlegen und diesen beschreiben. Sobald alle gewünschten Artikel ausgewählt sind, lässt sich der Warenkorb bestellen.
Im Vergleich zum traditionellen mehrstufigen Banf-Anlage-Prozess, bei dem viele Daten gepflegt werden müssen, hat sich das Nutzererlebnis deutlich verbessert und vereinfacht. Es können damit Parallelen zum Einkaufen im B2C-Bereich gezogen werden.
Hinweis: Damit dieser Prozess in SAP S/4HANA funktioniert, müssen Katalogdaten in der HANA Datenbank bereitgestellt werden. Dieser Prozess erfordert die Replikation von Katalogdaten aus einem (externen) Katalog-Management-System über das OCI5 Protokoll. Da sowohl das Katalog-Management als auch die Suche nach Artikeln mit S/4HANA nicht die gewünschte Performance erreichen, wird in der Praxis auch häufig ein Guided Buying System als Alternative zu der Fiori-App vorgeschaltet.

Wareneingang

Nach der Bestellung und vor Rechnungsbuchung erfolgt in der Regel auch mit S/4 HANA die Buchung des Wareneingangs. Dabei prüft der Kunde als Empfänger der Ware die ordnungsgemäße Lieferung in der vereinbarten Qualität, Zeit und Menge.
Um den Wareneingang im Sinne eines „3-way-matches“ zu buchen, muss bei der Buchung des Wareneingangs in der spezifischen App für „Wareneingang mit Bezug zur Bestellnummer“ die Bestellnummer angegeben sein, wie auch auf der entsprechenden Rechnung. Beim Buchen des Wareneingangs wird die Bestellnummer gesucht und mit der tatsächlich erhaltenen Menge ausgewählt. Dabei können mehrere Wareneingänge auf eine Bestellung oder gar Bestellposition gebucht werden. Das ist üblicherweise der Fall, wenn gleiche Materialien über verschiedene Werke und Lagerorte verteilt werden oder unterschiedlichen Status bekommen sollen.
Mithilfe der Bewegungsart werden verschiedene Materialbewegungen gebucht. Die häufigste Bewegungsart ist die 101 (Wareneingang mit Bezug zur Bestellung). Bewegungsarten spielen eine wesentliche Rolle sowohl in der Bestandsführung als auch in der automatischen Sachkonto-Findung bzw. -buchung. Warengänge können sowohl bewertet – es werden hier Buchhaltungsbelege und -daten erzeugt – als auch unbewertet gebucht werden. Ein bewerteter Wareneingang macht zum Beispiel Sinn, wenn Steuereinsparungen bei Abschreibungen schnell im Zuge des Wareneingangs realisiert werden sollen.

Aktualisierungen

Im Zuge des Wareneingangs können folgende Belege erzeugt bzw. folgende Daten aktualisiert werden:

  • Bestellungen und Bestellhistorie 
  • Bestandsmenge und Bestandswert 
  • Bestands- und Verbrauchskonten 
  • Nachricht zum Wareneingang an den Lieferanten
  • Ausdruck des Materialbelegs 
  • Transferanforderung für das Lager
  • Qualitätsprüfungsdokumente

Retoure

Eine mögliche Rücklieferung kann in der Rücklieferungs-App oder im Sinne des Self-Service Gedanken aus der „My Purchase Requisitions“ App gemacht werden, indem einfach nur „Return“ sowie die Gründe für die Retoure ausgewählt werden.

Workflow

SAP S/4 HANA bietet verschiedene individuelle Apps für die Genehmigungen. Diese Workflow-Apps basieren auf den konfigurierten Freigabestrategien entsprechend den Abläufen im Unternehmen.
Darüber hinaus verfügt S/4HANA über einen zentralen Eingang für alle Workflow Items, auf den per Desktop oder mobiler App zugegriffen werden kann. Filter und Sortiermöglichkeiten erleichtern die Priorisierung.
Als Technologie kommt als Alternative zur Freigabestrategie in MM jetzt auch der neue Flexible Workflow hinzu.

Machine Learning

Mit Unterstützung von SAP Leonardo kann die Machine Learning Technologie auch beim Self Service Procurement eingesetzt werden. Es kann dabei unterschieden werden in

  • Bildbasierende Beschaffung: Gemäß der Abbildung, die der Anwender ausgewählt hat, werden ähnliche Artikel mit ähnlichen Bildern als Alternative vorgeschlagen. 
  • Intelligente Genehmigungsworkflows: Ein intelligenter Genehmigungsworkflow analysiert das historische Muster von Bestellanforderungen basierend auf Preis, Bezugsquelle, Materialgruppe, Genehmiger, Wertgrenzen und weitere Datenpunkte. Mehrere gleichartige Genehmigungen können gruppiert und als Gruppe freigeben oder abgelehnt werden. 
  • Prädiktive Analyse für Vertragsabrufe: Ein Einkäufer kann ein Vorhersagemodell trainieren, das Bestellungen, auslaufende Verträge, historische Beschaffungsdaten und Abrufe analysiert, um den zu erwarteten Verbrauch vorherzusagen. 
  • Vorschläge für Artikel oder Warengruppen: Anhand der bisherigen Systemnutzung kann der nächste Artikel oder die nächste Warengruppe vorgeschlagen werden.

Für all die Anwendungsbeispiele muss die Verbindung zur SAP-Cloud Plattform und SAP Leonardo konfiguriert und der sogenannte Beschaffungsassistent erworben werden.

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